Die Oberfläche der Erde ist endlich und Boden unser kostbarstes Gut. Ein sorgloser oder ein kapitalgetriebener Umgang mit dieser Ressource hat in den vergangenen Jahrzehnten Gestalt und Funktion unserer Städte und Dörfer massiv verändert. Nur gut, dass die AzW-Ausstellung jetzt auch durch die Bundesländer tourt…

Angesichts der drohenden Klimakatastrophe und steigender Wohnungspreise stellt sich die Frage, ob der bisherige Weg mit maximalen Kompromissen und minimalen Anpassungen noch tragbar ist. Wo bleibt eine weitreichende und mutige Bodenpolitik?

Über die fortschreitende Zersiedelung des Landes wird seit Jahrzehnten diskutiert. Mittlerweile könnten alle Österreicher*innen in bereits bestehenden Einfamilienhäusern untergebracht werden (1) und trotzdem wird weiter Bauland gewidmet, werden neue Einkaufszentren auf der grünen Wiese und Chaletdörfer in den Alpen errichtet. Die fortschreitende Versiegelung trägt zur Klimakrise bei und gefährdet die Ernährungssicherheit. Die Spekulation mit Grundstücken verteuert den Wohnbau und führt zu einer schleichenden Privatisierung des öffentlichen Raums. Schwache oder nicht angewandte Raumplanungsgesetze, ein teils fehlgeleitetes Steuergesetz- und Förderungswesen sowie eine mutlose Politik schreiben den Status Quo fort, anstatt eine Vision für die Zukunft zu entwickeln.

Anschaulich und konkret, kritisch und manchmal auch unfreiwillig absurd erläutert die Ausstellung die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergründe. Wie wird Grünland zu Bauland? Wieso steigt der Preis für Grund und Boden? Was hat das alles mit unseren Lebensträumen zu tun? Fallstudien und Begriffserklärungen bringen Licht in das Dickicht der Zuständigkeiten. Ländervergleiche veranschaulichen Stärken und Schwächen, internationale Best-Practice-Beispiele zeigen Alternativen. Eine Sammlung an bereits bestehenden und möglichen neuen Instrumenten weist Wege zu einer Raumplanung, die die Ressource Boden schont, den Klimawandel abfedert, der Wohnungsfrage hilft und eine gute Architektur ermöglicht. Wir alle sind aufgefordert, neu zu denken und zu handeln. Die Ausstellung bereitet den Boden dafür.
Kuratorinnen: Karoline Mayer & Katharina Ritter, Az W
Die Wanderausstellung des Architekturzentrums Wien wird von ORTE in die Stadtgalerie in Waidhofen an der Ybbs gebracht. Die Ausstellug wurde Dank der Unterstützung durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport ermöglicht.
(1) Bei einem Schlüssel von 4,16 Personen pro Wohneinheit (8.837.707 Einwohner*innen auf 2.123.597 Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern). Quelle Statistik Austria, Stand 2018
Boden für Alle. ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich
Ausstellung Samstag 15.01.2022 – Sonntag 27.02.2022
Galerie raumimpuls, Oberer Stadtplatz 32, 3340 Waidhofen/Ybbs
Sonntag 1. Mai – Freitag 20. Mai 2022
Gemeindeamt Kirchberg am Wagram, Marktplatz 6, 3470 Kirchberg am Wagram
ABB.:
Verbaute Erde – Parkflächen statt Ackerland – © ÖHV
Baugrund zu verkaufen. – © Johann Jaritz, Wikimedia Commons, lizensiert unter CC BY-SA 4.0; Collage: Christina Kirchmair
Über ein Jahrhundert lang versorgte die ENCI-Kalkgrube die Niederlande mit Kalk für die Zementerzeugung. 2018 wurde die künstliche Landschaft in ein beeindruckendes Naturreservat verwandelt, das Raum für Naherholung, seltene Pflanzen und Vögel bietet. – © Rademacher / de Vries Architects