10 Tage ‚Do It Together‘– urbanize! Festival 2015 eröffnet!
Prominente Ehrengäste, zahlreiches Publikum, interaktiver Ausstellungsparcours und behutsame Durchmischung mit den Bewohnern der Flüchtlingsnotunterkunft – das war die Eröffnung des Festivals für urbane Erkundungen. Vortragende und Künstler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Slowenien, Spanien und Ungarn sowie 150 Veranstaltungen rund um die Festivalzentrale lassen die Theorie eines ,kooperativen Urbanismus‘ solidarische Praxis werden.
‚Die Kinder wollen spielen, das ist einfach‘ meint Lilo Krebernik vom adhocrates collectives, in dessen Pop-Up-Spielraum die Integration von Festivalzentrale und Flüchtlingsnotunterkunft schon am Eröffnungsabend bestens funktionierte. Das überzeugte auch den soeben angeradelten Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, war aber nur das Intro zum interaktiven Ausstellungsparcours, der zum Mitmachen einlädt. »DO IT TOGETHER«, das Motto von URBANIZE! Internationales Festival für urbane Erkundungen 2015, lässt sich hier in der Praxis erleben. URBANIZE! findet bereits zum 6. Mal statt, hat aber im Jubiläumsjahr von 15 Jahren dèrive eine unvorhergesehene Aktualität erhalten, nachdem die Festivalzentrale, ein zwischengenutzter Gründerzeitbau der BIG in Wien Mitte und zukünftige Dependance der Universität für angewandte Kunst, rund zwei Wochen zuvor ‚über Nacht‘ zur derzeit größten Notunterkunft in Wien umfunktioniert wurde, wie Festivalleiterin Elke Rauth berichtet. Sie hat trotz der großen Herausforderung nicht gezögert, dem Festival eine neue Ausrichtung zu geben und die große Chance erkannt, ‚das, was wir mit STADTTHEORIE seit sehr vielen Jahren zu vermitteln versuchen, nämlich eine KULTUR DES ZUSAMMEN tatsächlich in so etwas wie eine solidarische Praxis übersetzen zu können‘ .
Dem Team, ist es gelungen nicht nur das Festival trotzdem vor Ort stattfinden zu lassen, sondern auch das Programm im Sinne des Festivalmottos zu adaptieren. Die offene Werkstätte in einem der großen Höfe, der zugleich als Gastgarten dient, produziert Möbel für die Aufenthaltsbereiche der Flüchtlinge. In der Festivalbar selber, die einem außergewöhnlichen Up-Cycling-Konzept folgt, lassen sich per ‚PAYING FORWARD‘ Drinks ausgeben. Die Kunst, ‚die aus den Museen heraus in die Praxis gehen und Antworten auf die geänderte Lebensverhältnisse der Stadt finden muss‘, wie Eröffnungsredner Gerald Bast, Rektor der Angewandten, es formulierte, lässt sich hier in vielfältigen Ausformungen entdecken.
Bereits das Eröffnungswochenende bot ein breites Spektrum mit fesselnden Vorträgen und Workshops. Xavi Ferer, etwa stellte die BürgerInnen-Liste Barcelona en Comu vor, die von der Protestbewegung bis zum Bürgermeisterinnen-Amt eine Erfolgsstory hingelegt hat. Im ‚Recht auf Stadt‘-Workshop, gaben die Vertreter der PLANBUDE/Parcfiction rund um DOCUMENTA-Teilnehmer Christoph Schäfer Einblicke einer gelungenen Ermächtigungsgeschichte von den Anfängen der Hausbesetzung bis zum Vorzeigebeispiel der kooperativen Stadtgestaltung in Hamburg. Filmische Präsentationen zeigten künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum und unter Trommelwirbel deckte der ‚grenzüberschreitende‘ Marsch durch die Bezirke mit Fachleute aus Landschaftsarchitektur, Architektur, Kunst und Technik, StadtbewohnerInnen und -benützerInnen auf, was im urbanen Freiraum möglich ist, wenn die Grenzen fallen…
urbanize! Festival für urbane Erkundungen
Weiter Programm-Highlights, Themen
AUSSTELLUNG&INTERAKTIV: Der ‚Salon Public Happiness’ zeigt die stadtpolitischen Kämpfe und den errungenen Beteiligungsprozess der ‘Planbude’ rund um die Hamburger Esso-Häuser – Stichwort: ‘Make bottom-up funky!’; das Team von ‚Murmelcomics’ verwandelt gemeinsam mit den Festival-BesucherInnen eine Gangfläche in ein Stadt-Comic; die Installation und Intervention ‘Demenz fühlen’ von Cornelia Bast und Antonia Eggeling macht Wahrnehmungszustände von Demenzkranken transparent und fragt nach Veränderungen in der Stadtgestaltung für eine zunehmend alternde Gesellschaft. Am Wahltag schickt der ‚Personal Adventure Automat‘ (11.10.) BesucherInnen auf eine interaktive Reise durch die Stadt;
VORTRAG&FILM: ‘Kooperative Stadtentwicklung’ (5.10) stellt selbstorganisierte Bau- und Stadtentwicklungsprojekte aus Hamburg, Zürich und Linz vor; ‚Shareconomy’ (7.10.) hinterfragt den Teilen-und-Tauschen; Henrik Lebuhn, Berlin, diskutiert mit ‘Urban Citizenship und das Recht auf Stadt’ (9.10.) Überlegungen für den Zugang aller StadtbewohnerInnen zu politischer und sozialer Teilhabe. Filme thematisieren die Themen Selbstermächtigung, Wohnen und Nahrungsmittelsouveränität mit Dokumentationen zur Immobilien-Situation in Spanien, Deutschland und GB sowie weltweiten Urban Farming Initiativen.
WORKSHOP&EXKURSION: Hotel Obscura (9.+10.10.) lädt in Magdas zur 1:1 Live-Art-Performance ins Hotelzimmer, Fahrradtouren führen zu Green Urban Commons (11.10.) und laden mit dem ‘Art-Ride X’ (7.10.) zur multimedialen Stadterkundung bei Nacht, die Fußtour ‘Von Höfen und Durchhäusern’ (6.10.) im 3. Bezirk macht historische Wegenetze nutzbar, in der Zentrale werden Möblierungen gebaut und mit Sieb gedruckt.
SCHNITTSTELLE FESTIVAL& FLUCHT: ‘Displaced. Refugees and the city‘, die Projektwoche mit Studierenden der TU Wien, PROSA – Projekt Schule für Alle! und jungen Asylsuchenden endet mit einer abendlichen Tischgesellschaft zum Thema ‘Stadt, Raum und Flucht’ (8.10), die solidarische Handelsräume für PlanerInnen erörtert. Das ‚adhocrates collective’ baut Spielraum für Kinder; UNOs – die GestalterInnen der Festivalzentrale – und das Projekt ‘framework’ entwerfen gemeinsam mit anderen Festivalbeteiligten, BewohnerInnen und BesucherInnen Möblierungen, um die Aufenthaltsqualität vor Ort zu verbessern; der Cooperative Playground lädt zum Filmprogramm in arabischer Sprache und das ‘Kollektiv Offene Deutschkurse’ eröffnet sein Klassenzimmer in der Festivalzentrale.
Foto: Esel Lorenz Seidler