im Hafen, ein Flechtwerk am Fluss und Arabesken im Ländle – öffentlicher Raum vor dem europäischen Preisgericht.
Seit dem Europäischen Songcontest wundert das keinen mehr, wo doch das kleine Österreich dank Wurst und Bart sich in die Herzen der Europäer gesungen hat und damit ein Exempel für Toleranz statuierte, das seinesgleichen sucht. Ein architektonisches Beispiel dieser Toleranz hatte es bereits davor immerhin zur lobenden Erwähnung einer weiteren europäischen Auszeichnung gebracht.
Der Europäische Preis für urbanen öffentlichen Raum 2014 zeichnete aus 274 eingereichten Arbeiten die Neugestaltung des Alten Hafen von Marseille und die parkähnliche Umwandlung des Flusstales im spanischen Elche aus. Lobende Erwähnung fand neben drei weiteren Projekten auch das Vorarlberger Altach, das mit der Errichtung eines muslimischen Friedhofs durch den Architekten Bernado Bader ungewohnte Offenheit bewies.
Dass die Gestalt einer Stadt und ihr demokratisches Verständnis ganz intim miteinander verwoben sind, hat auch das Komitee des European Prize for Urban Public Space erkannt. Bereits seit dem Jahr 2000 werde Transformationsprozesse im öffentlichen Raum, die das soziale Miteinander befördern, aufs Podest geholt. Eine Reihe europäischer Architekturhäuser kürt seither im Zweijahresrhythmus Auftraggeber und Architekten, dokumentiert die urbanen Räume und schickt sie auf eine Wanderausstellung durch Europa und Amerika. Auf dass die Beispiele Schule machen? Ein heeres Ansinnen, wo doch die öffentlichen Plätze viel eher aufgrund des mangelnden Demokratieverständnisse zur Aufmerksamkeit gelangen. Maydan, Taksim, Tahrir und wie sie alle heißen. Von Architektur ist dabei weniger die Rede, aber die wesentliche Qualität des öffentlichen Platzes, die Richard Senett einst postulierte, eint sie alle ‘dass er Personen miteinander mischt und eine Vielfalt von Aktivitäten anzieht.
Das kann auch der Porte Vieux von Marseille seit er durch die Arbeitsgemeinschaft von Sir Norman Foster und den Landschaftsplaner Michel Desvigne aufgeräumt und für das öffentliche Leben zurückgewonnen wurde. Seit der Abwanderung der Frachtschiffe in den Porte Maritime war der malerische Hafen, seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt, heruntergekommen. Vorrang galt dem Verkehr. Anstatt dem wirtschaftlichen Niedergang durch die Privatisierung etwa fürs exklusive Segelvolk entgegenzuwirken, besann sich die Stadt auf den öffentlichen Raum. Jetzt gehört der Platz wieder allen und eine neue Vitalität hat Einzug gehalten. Die einheitliche barrierefreie Platzgestaltung lädt zum Promenieren, neue Landmark aber ist die Grande Ombrière ein riesiges verspiegeltes Sonnensegel, das auch für Großveranstaltungen genutzt werden kann.
Der eigentliche Platz fehlt dem zweiten ex aequo Preisträger des Awards, einem Projekt der Grupo Aranea, eine multidisziplinären Gruppe aus Alicante, die mit Künstlern, Soziologen Landschaftsplanern und Biologen arbeitet. Das Flusstal des Vinalopó mutierte durch ein verflochtenes Netzwerk von Brücken und Wegen für Fußgänger und Radfahrer zur Parklandschaft und verbindet bisher getrennte Stadtteile und den angrenzenden, als Weltkulturerbe geltenden Palmenhain miteinander. Hier könnte die Auszeichnung auch eine politische Dimension annehmen. Hat doch die neue Stadtregierung das Projekt, unliebsames Erbe der politischen Vorgänger, nach der ersten Bauphase gestoppt. Deshalb fehlt bislang die offizielle Eröffnungsfeierlichkeit, die inoffizielle Nutzung funktioniert hingegen tadellos. Beiden Projekten gemeinsam ist die partizipative Herangehensweise bei der Planung, die Verwaltung, Anwohner und Experten an einen Tisch holt.
Am Taksim, einem anderen öffentlichen Platz in einem weniger demokratischen System, haben Partizipation und Offenheit weniger Erfolg gehabt. Beim European Prize for Urban Space schaffte es die ‚Occupy Gezi’ Bewegung immerhin ins Finale.