Im Geymüllerschlössl ist die Welt noch in Ordnung, da können die Wurm’schen Keramikskulpturen in aller Ruhe eine Liaison eingehen mit den biedermeierlichen Interieur, während in der Innenstadt die Wurm-Skulptur einfach von Sockel geklaut wird…

Jedenfalls ein Anlass sich auf den Weg in die Vorstadt zumachen, wo das MAK mit Erwin Wurm einen der international bedeutendsten Künstler*innen der Gegenwart eingeladen hat, in einer dramaturgischen Anordnung erstmals Skulpturen seiner ‘Dissolution’ genannten Serie (2018–2020) im musealen Kontext zu präsentieren. Die plastische Masse ausTon formte Wurm zu deutenden Händen, Mündern, Ohren oder anderen Fragmenten von Körperteilen, die mit den Sinnen –Tasten, Hören, Riechen, Schmecken – assoziiert werden

Die keramischen Skulpturen erinnern auch an die Wirkmächtigkeit der Bozzetti, in denen Künstler*innen ab der Renaissance ihren innersten Ideen der Gestaltung direkten Ausdruck verleihen konnten. Bozzetti waren erste skizzenhafte Modelle, die als Vorstufen für Werke genutzt wurden, die in schwieriger zu bearbeitenden Materialien ausgeführt wurden. Maler*innen nutzten Bozzetti in Ton oder Gips für das Studium von Lichteinfall und Schattenwurf in ihren Gemälden und stellten sie auf miniaturhafte Bühnen. Bildhauer*innen bereiteten ihre Werke in Stein und Keramik im Bozzetto aus Ton selbst vor. Bozzetti enthüllen die künstlerische Konzeption des Werkes, dessen „Idea“ und stehen für die Autonomisierung der Kreativität von Künstler*innen.
ERWIN WURM. Dissolution. 08.05.2021–05.12.2021 MAK-Expositur Geymüllerschlössel
MAK-Ausstellungsansichten, 2021 ERWIN WURM. Dissolution
Courtesy Thaddaeus Ropac MAK-Expositur Geymüllerschlössel © Bildrecht, Wien 2021
Foto: Aslan Kudrnofsky/MAK