Groteske Figuren, wilde Glasuren und expressive Malerei. Kein Stück gleicht dem anderen, die Künstler kommen aus der Wiener Werkstätte und die Amerikaner sind ganz verrückt danach … wer würde bei dieser Geschichte an das kleine beschauliche mostviertler Städtchen Scheibbs denken. Und doch ist es so, dass in den 20er Jahren des vorigen Jahrhhunderts die Scheibbser Tonindustrie ganz außergewöhnliche Keramikobjekte produzierte, die heute auf dem Kunstmarkt mehr als gefragt sind und erstaunliche Preise erzielen. Werke dieser ersten Phase der Scheibbser Keramik sind hierzulande rar, kein Wunder, wurde doch der Großteil der Produktion seinerzeit nach Übersee exportiert.
Der Unternehmer Ludwig Weinbrenner, eigentlich ein ‘Nobelgärtner’ von Beruf – er belieferte Grandhotels mit exquisitem Blumenschmuck – verfügte über Geschäftssinn und erstklassige Beziehungen. Als er per Zufall auf seinem Grund ein kleines Tonvorkommen entdeckte, gründete er 1923 kurzerhand eine provisorische Manufaktur und holte sich junge Wiener-Werkstätten-KünstlerInnen wie Rudolf Knörlein und die Schwestern Elisabeth und Adelgunde Krippel, die bei Michael Powolny diplomiert hatten, nach Scheibbs. Bald florierte die Tonindustrie, man zog in die frei gewordenen Hallen einer aufgelassenen Achsen- und Weichgußfabrik und lernte die 50 arbeitlos gewordenen Metallarbeiter zu Keramikhilfskräften um.
Weinbrenner, der ein Faible für den fernen Osten hegte und in seiner Gärtnerei ein japanisches Teehaus erichtet hatte – produzierte anfangs vorallem Gartengeschirr und Blumengefäße für seine Gärtnerei. Mit den neuen KünstlerInnen Hilde Heger und Helene Dörr – beide hatten bei Vally Wieselthier gelernt und praktiziert – wurde der Einfluß der Wiener Werkstätte noch verstärkt. Nun entstanden außergewöhnliche, expressive bis bizarre Tonwaren – groteske Tierfiguren, an die Art Brut gemahnende Motive und Gestalten, mit wildem Pinselstrich glasiert, die weltweit Furore machten. Allein die Erfolgsstory hatte ein rasches Ablaufdatum. Nach dem schwarzen Freitag war das Amerikageschäft schlagartig zu Ende und in Österreich herrschten Armut und Arbeitslosigkeit. Weinbrenner musste alle KünstlerInnen und alle teuren Fachleute entlassen, 1933 erfolgte die Schließung der Firma.